Die Förderung von Integration im Quartier kann nur gelingen, wenn Bewohner und Institutionen im Stadtteil aktiviert, eingebunden und vernetzt werden. Lösungsansätze müssen daher zwingend interaktive und kommunikative Aspekte beinhalten; sie dürfen sich nicht nur auf die raumrelevanten und städtebaulichen Prozesse beschränken. Insbesondere langjährige Mieter und Bewohner mit Eigentum im Quartier haben eine enge emotionale Bindung an "ihr" Quartier und auch ein starkes Interesse daran, ihren Stadtteil langfristig aufzuwerten. Zudem kennen sie die Stärken und Schwächen des Quartiers genau und können daher sinnvolle Anregungen geben.

 

 

Die Initiatoren:

Aufbau einer koordinierenden Stelle, die sämtliche Handlungsfelder und Managementansätze induziert und steuert

Besonders wichtig ist eine steuernde Instanz, die das große Ganze im Blick behält und als Koordinator, Vermittler und Impulsgeber zwischen verschiedenen Akteuren im und außerhalb des Quartiers agiert. Diese zentrale Rolle kann durch das vor Ort tätige Wohnungsunternehmen oder den Flächenentwickler besetzt werden, aber alternativ auch durch die Stadt oder eine mit dem Management vor Ort betraute Organisation. Der Steuerer ist mindestens für die Dauer eines geplanten Veränderungsprozesses derjenige Akteur, der dem Management vor Ort den materiellen und formellen Rahmen setzt und die räumlichen Veränderungsprozesse initiiert, fördert, begleitet und dokumentiert.

Der Prozess und das Management der Quartiersentwicklung insgesamt ist als ein "lernender Prozess" und fortwährender Dialog zu verstehen: Planung und Umsetzung von Maßnahmen sollten keinem strikten und einmal festgelegten Masterplan folgen, sondern schrittweise und unter Abwägung der jeweiligen Prioritäten mit Augenmaß erfolgen. Durch diese Offenheit und Flexibilität bleiben Spielräume für zukünftige Veränderungen erhalten; die Bewohner des Quartiers bekommen die Möglichkeit, dieses mitzugestalten und sich den Raum anzueignen. Wichtig dabei ist, dass die Bewohner frühzeitig in die Planungen involviert werden und eine echte Chance bekommen, auf die Gestaltung ihres Quartiers Einfluss zu nehmen.


Siehe auch: These 32 der RAG-Stiftung-Zukunftsstudie

"Kümmerer"/Stadtteilmanager als zentraler Ansprechpartner im Quartier

Wenn Veränderungen im Quartier stattfinden sollen, braucht es im Idealfall einen "Kümmerer", der verschiedene Akteure berät und vernetzt (z. B. Stadtplaner, Bildungs- und Kulturinstitutionen, Kirchen). Seine Aufgabe ist es, die Akteure vor Ort so zu unterstützen, dass sie ihre Aktivitäten nach eigenen Vorstellungen und mit eigenen Kräften gestalten können. Da er Entwicklungen einzelner Teilgebiete in einem größeren Zusammenhang betrachtet und Handlungsbedarfe identifiziert, ist er kompetenter Ansprechpartner für viele Fragen der Quartiersentwicklung. Seinen Sitz hat der "Kümmerer" an einer zentral gelegenen, sichtbaren Stelle im Quartier. Dort steht er als erster Ansprechpartner für die Bewohner im Quartier zur Verfügung und gibt dem Veränderungsprozess ein Gesicht. Zu seinen Aufgaben gehören auch das Anregen und die Unterstützung von Aktivitäten der Bevölkerung vor allem im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Aktionen rund um das gemeinsame Lernen, Kochen, Gärtnern oder die Durchführung von Stadtteilfesten. Außerdem kann er Partizipationsprojekte initiieren und abwickeln. Angelehnt an den Wiener Weg ist auch denkbar, dass der "Kümmerer" ein kleines interdisziplinäres Team führt und zusätzlich zur räumlichen und personellen Vernetzung auch Aspekte der Gemeinwesen- und Konfliktarbeit übernimmt.

Identifikation und Gewinn lokaler Helden, die als Vorbilder Veränderungen vorantreiben

Um Veränderungen im Quartier zu ermöglichen, braucht es engagierte Identifikationsfiguren aus dem Quartier, die mit gutem Beispiel vorangehen und bei den Bewohnern hohes Ansehen genießen. Diese "lokalen Helden" gilt es zu identifizieren und für Veränderungen zu gewinnen. Sie können den "Kümmerer" vor Ort unterstützen und als Bindeglied zwischen ihm und weiteren Bewohnern fungieren. Indem sie für die Veränderung werben, bauen sie Vorbehalte ab und stärken so die Identifikation der Bewohner mit dem Quartier. Lokale Helden können Schulleiter, Sozialarbeiter, Einzel-handelsbetreiber, religiöse Vertreter, Vertreter von IG BCE-Ortsverbänden o. Ä. sein.

Institutionalisierung des Bürgerengagements durch Gründung eines Vereins und/oder einer gGmbH

Die Gründung eines Vereins oder einer gemeinnützigen GmbH gibt bürgerschaftlichem Engagement einen Rahmen und bündelt gemeinschaftliche Aktivitäten. Das senkt die Hemmschwelle, sich im Quartier zu engagieren und an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen. Der Verein arbeitet eng mit einem "Kümmerer"/Stadtteilmanager zusammen und treibt gemeinsam Projekte im Quartier voran.

Auch Vertreter der Stadtverwaltung können als "Paten" dem Verein bei einzelnen Projekten beratend und unterstützend zur Seite stehen. Die Kombination aus Hauptamt und Verein ist in diesem Zusammenhang besonders vielversprechend. Der Verein arbeitet auch mit bestehenden Gruppen und Kulturverbänden zusammen. Laufende Aktivitäten des Vereins können durch Crowdfunding-Kampagnen finanziert werden.

Aufsuchende Gemeinwesenarbeit vor Ort im Quartier

Bewohner profitieren davon, wenn wichtige soziale Akteure im Quartier präsent und unmittelbar für sie ansprechbar sind. Da deren Hauptstandorte jedoch oft nicht im Quartier selbst liegen, braucht es zusätzliche pragmatische und leicht zugängliche Angebote vor Ort. Konkret können z. B. Jobcenter-Mitarbeiter vor Ort eingesetzt oder Stellenangebote im Quartierszentrum veröffentlicht werden. Ebenso können Mitarbeiter im Bereich Jugendcoaching direkt im Quartier aktiv werden. Auch Schulen, Bibliotheken oder Vereine als weitere wichtige Akteure des Gemeinwesens können einen Teil ihrer Aktivitäten in den öffentlichen Raum verlegen, z. B. indem Lesungen, Sportfeste, Lauftreffs oder Yoga- und Fitnesskurse nicht in geschlossenen Räumen, sondern draußen stattfinden. Somit werden Hürden genommen, die einige Bewohner des Quartiers davon abhalten, Angebote anzunehmen. Die Gemeinwesenarbeit kann von einem "Kümmerer"/Stadtteilmanager gestaltet und koordiniert werden. Außerdem können Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen eingegangen werden (z. B. sozialwissenschaftlichen Instituten an Hochschulen). Dadurch können wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gemeinwesenarbeit einfließen.



RAG-Stiftung
RAG-Stiftung
Evonik Industries