Nahversorgungs- und weitere zentrale Infrastruktureinrichtungen werden von den Bewohnern des Quartiers fast täglich genutzt. Sie bergen jenseits ihres funktionalen Werts ein hohes Potenzial als Raum der Interaktion und Begegnung. Daher besitzt die Stärkung dieser Einrichtungen und Strukturen eine hohe integrative Wirkung. Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Angebotsvielfalt für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ist dabei besonders wichtig. Sie schafft eine größere Teilhabe aller Bewohner am Quartiersleben und damit mehr Lebensqualität. Zudem führt dies zu einer positiven Außenwirkung für Besucher von außerhalb. Damit Infrastruktur- und Versorgungsangebote an Relevanz gewinnen, müssen sie sich auch auf veränderte Wertvorstellungen der Bewohner einstellen; sei es, dass Bewohner immer häufiger Entscheidungen nach dem Prinzip des Teilens statt Besitzens treffen, oder, dass sie einen ökologisch nachhaltigen Lebensstil führen möchten. Daher ist es wichtig, dass diese Einrichtungen flexibel und offen für Neues sind.

 

 

Die Initiatoren:

Gestaltung eines sichtbaren Zentrums des sozialen Lebens als stark frequentierter Magnet für Austausch und Begegnung

Nahversorger und andere zentrale Gebäude bilden in vielen Stadtteilen den Mittelpunkt des Quartiers. Sie sollten aber nicht nur ihre Kernfunktion erfüllen, sondern darüber hinaus zu vitalen Orten des Austauschs und der Begegnung werden. Dazu brauchen sie zum einen ein erweitertes Leistungsspektrum, das für unterschiedliche Bewohner attraktiv ist. Zum anderen müssen sie auch baulich so gestaltet sein, dass man sich gerne dort aufhält. Dieses kann einen Leuchtturmeffekt für den ganzen Stadtteil haben und so zur Identifikation der Bürger mit ihrem Quartier beitragen. Die folgenden Beispiele zeigen, wie ein sichtbares Zentrum gestaltet sein kann, das entweder auf einem zentralen Einzelgebäude oder mehreren Gebäuden als Teil einer Einheit basiert:
 

Thematisches Einzelhandelscluster

Ein thematisches Einzelhandelscluster kann das Profil eines Quartiers schärfen und identitätsstiftend wirken. Bei einem Themencluster "Garten/Freizeit" kann das Angebot z. B. einen Bio-Supermarkt, Blumenhallen, ein nachhaltiges Hotel, Gastronomie, Kinderbetreuung oder Kurse und Schulungen zum Mitmachen enthalten. Dadurch bildet sich ein soziales Zentrum, in dem Einkauf und Unterhaltung verbunden werden und eine Atmosphäre des Austauschs entsteht. Um ökonomische Kannibalisierungseffekte zu vermeiden, soll der thematische Einzelhandel möglichst komplementär zu Angeboten in der Innenstadt sein.

 

Multifunktionales Stadtteilzentrum
Das multifunktionale Stadtteilzentrum kombiniert Räume für Gemeinwesenarbeit mit Räumen für kommerzielle Nutzung. Damit deckt es zum einen die "klassischen" Funktionen eines Stadtteilzentrums ab und beherbergt Beratungs- und Bildungsangebote, künstlerische und Musikgruppen, Sport- und Spieltreffs, Bibliothek, Stadtteilcafé mit angegliederter Gemeinschaftsküche etc. Es bietet aber auch Platz für privatwirtschaftliche Angebote und Dienstleistungen, die für unterschiedliche Zielgruppen attraktiv oder nützlich sind, z. B. Supermärkte mit internationalem Sortiment, Teestuben, Kioske oder ein Gesundheitszentrum. Das multifunktionale Stadtteilzentrum soll für alle Bewohner im Quartier zugänglich sein. Daher liegt es in zentraler Lage in einer verkehrsberuhigten Zone und unterstreicht seine Offenheit durch mehrere Schauseiten. Seine Aktivitäten finden sowohl in Innen- als auch Außenräumen, das heißt auf dem Vorplatz oder im Gartenbereich, statt.
 

Kulturclub im Quartier

Auch ein Kulturclub kann zum Zentrum des sozialen Lebens werden, wenn sein Angebot unterschiedliche Zielgruppen im Quartier anspricht. So gibt er Raum für die Entfaltung von Kultur im Quartier und bringt Bewohner mit ähnlichen Interessen zusammen. Beispielsweise können im Kulturclub Filmabende, Chorproben, Konzerte, Lesungen oder Treffen von Literaturgruppen stattfinden. Außerdem können dort Kurse, z. B. von der VHS, und private oder öffentliche Veranstaltungen durchgeführt werden. Um auch älteren Menschen den Zugang zu ermöglichen, ist er barrierefrei gestaltet.

 


Neugestaltung eines öffentlichen Verbrauchermarkts

Ein neu gestalteter ausreichend großer Verbrauchermarkt in zentraler Lage bietet diverse zusätzliche Leistungen, die sich von denen klassischer Nahversorger unterscheiden. Beispielsweise punktet er mit ausgedehnten Öffnungszeiten, kostenlosem WLAN oder Spielplätzen. Er kann Shop-in-Shop-Module mit speziellen Angeboten oder angeschlossene Cafés oder Restaurants enthalten. Außerdem können öffentliche Funktionen wie beispielsweise eine Bibliothek integriert sein.
Auch bauliche Veränderungen sind zu prüfen, um multifunktionale Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Beispielsweise kann ein Flachdach bei entsprechenden baulichen Voraussetzungen als Sport- und Spielfläche genutzt werden. Vorstellbar ist auch, dass der Zugang zum Dach über Sitzstufen erfolgt, die gleichzeitig Zuschauerränge für eine angeschlossene Bühne bilden. Auf dieser können Freiluftkino-Vorstellungen, Theateraufführungen u. Ä. stattfinden. Auch Fassaden und Umfeld des Verbrauchermarkts sollten offen und einladend sein. Entsprechend ist das Parkplatzmanagement so zu gestalten, dass die Barrierewirkung verringert wird. Konkret können die erforderlichen Stellplätze allseitig um den Verbrauchermarkt herum im öffentlichen Raum verteilt oder in eine Tiefgarage verlegt werden.

Sicherstellung solider ergänzender Basiseinrichtungen mit Treffpunktcharakter zur Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs

Neben großen Nahversorgern sind gerade kleinere, zum Teil auch dezentrale Einkaufsmöglichkeiten beliebte Nachbarschaftstreffpunkte bei Bewohnern eines Quartiers. Es lohnt sich daher, diese Treffpunkte in den Blick zu nehmen und Möglichkeiten zu finden, ihre Aufenthaltsqualität zu vergrößern.
Beispielhafte Maßnahmen dazu sind:

 

Aufwertung der Trinkhallen

Trinkhallen, Kioske, Buden: Egal unter welchem Namen, sie sind seit Jahrzehnten feste Treffpunkte, Verpflegungs- und Pausenorte im Quartier. Eine größere, ansprechend gestaltete Trinkhalle, z. B. integriert in ein Wohngemeinschaftsgebäude, trägt dazu bei, die Versorgung mit essenziellen Nahrungsmitteln im Quartier zu sichern und die Interaktion zwischen den Bewohnern zu fördern.


Etablierung und Neuausrichtung von Wochenmärkten

Der Besuch eines Wochenmarkts ist eine praktische Möglichkeit für Bewohner eines Quartiers, außerhalb der großen Versorgungsmärkte einzukaufen und nebenbei Bekannte zu treffen. Eine Ausweitung des Angebots macht klassische Wochenmärkte attraktiver. So kommt die Öffnung in den Abendstunden berufstätigen Bewohnern entgegen. Gelegentliche Streetfood-Angebote oder wechselnde Veranstaltungen rund um den Markt, z. B. Flohmarkt, Tauschbörse oder Antiquitäten-Markt, sorgen für Abwechslung. Um den Wochenmarkt auch optisch aufzuwerten, kann an ausgewählten Abschnitten eine besondere Pflasterung vorgenommen werden. Außerdem können speziell gestaltete Stadtmöbel zu Marktzeiten als Auslagefläche verwendet werden.

Schaffung von Orten des Leihens und Teilens als Impuls für Austausch und Begegnung

Statt etwas selbst zu besitzen, gibt es mehr und mehr Menschen, die Dinge lieber teilen und tauschen. Dieser Trend zur sogenannten Sharing Economy bringt auch für Quartiere Chancen mit sich. So können im Quartier Orte etabliert werden, die als Treffpunkte zum Ausleihen und Verleihen dienen und die von den Bewohnern gerne und oft genutzt werden. Sie können mittels sozialer Medien oder anderer digitaler Angebote beworben werden. Da diese Orte des Leihens und Teilens auch im kleineren Format denkbar sind, können leerstehende oder untergenutzte Bestandsgebäude als Standorte umgewidmet werden. Mögliche Umsetzungsbeispiele dazu sind:

Ideenläden als Erweiterung von Bibliotheken

Stadtteilbibliotheken, die offen für neue Konzepte sind, können einen "Ideenladen" einrichten. In diesem können Werkzeuge, Spielsachen, Partyzubehör u. Ä. ausgeliehen werden. Die Basis-Ausstattung und der Betrieb (Kernöffnungszeiten) werden von der öffentlichen Hand verantwortet. Durch engagierte Nutzer und Helfer vor Ort kann das Angebot noch erweitert werden, z. B. durch längere Öffnungszeiten, mehr Leihmedien oder die Durchführung von Veranstaltungen.



RAG-Stiftung
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