Als Ort des alltäglichen Lebens steht der öffentliche Raum per Definition allen Bevölkerungsgruppen im Quartier offen. Gerade hier müssen für eine gelungene Integration Austausch und Begegnung gefördert werden. Dies kann durch attraktive öffentliche Plätze geschehen, die für unterschiedliche Zwecke und Anliegen frei nutzbar sind. Genauso können aber auch gezielt gestaltete Angebote zu Anziehungspunkten im öffentlichen Raum werden und die Bewohner des Quartiers zusammenbringen. Gleichzeitig lassen sich auch bisher nicht oder wenig genutzte Frei- und Leerräume wie Innenhöfe oder Grünflächen zwischen einzelnen Wohnblocks für eine (halb-)öffentliche Nutzung zugänglich machen, indem ihre kommunikativen Potenziale gestärkt werden.

 

 

Die Initiatoren:

Multifunktionale Nutzung öffentlicher Räume

Öffentliche konsumfreie Plätze dienen als geteilte Räume – auch "Third Places" genannt – allen Menschen im Quartier als Orte des Austauschs. Entscheidend dafür, dass sie von möglichst vielen Menschen genutzt werden, ist, dass einige von ihnen explizit deutungsoffen und damit multifunktional sind. Beispielsweise spricht eine grüne Wiese, die für Ballspiele, Grillpartys oder Picknicks etc. offen ist, deutlich mehr Menschen an als ein befestigter Fußballplatz mit fixierten Torstangen. Um Bewohner zum Verweilen anzuregen, soll zudem die bestehende Infrastruktur dieser Räume aufgewertet werden. Temporär ist auch die exklusive Nutzung dieser Plätze, z. B. für Stadtteilfeste, möglich und sogar gewollt. Folgende Umsetzungsideen sind denkbar:

  • Erhöhung der Verweildauer durch Einrichtung von Ruhezonen mit komfortablen Stadtmöbeln
     
  • Steigerung der Attraktivität durch optimierte Verkehrswege- und Beleuchtungskonzepte
     
  • Nutzung öffentlicher Plätze als Orte für temporäre Veranstaltungen wie Stadtteilfeste oder Streetfood-Märkte
     
  • Nutzung öffentlicher Plätze als Orte für Aktivitäten von Vereinen oder ähnlichen Organisationen im öffentlichen Raum, z. B. für Sportkurse oder Veranstaltungen

Gestaltung öffentlicher Räume als attraktive, zugängliche Aufenthaltsorte mit differenzierten Angeboten für unterschiedliche Zielgruppen

Neben bewusst deutungsoffenen Räumen braucht es auch differenzierte Angebote für festgelegte Aktivitäten und Erlebnisse im öffentlichen Raum. Diese bringen Bewohner mit ähnlichen Interessen zusammen und fördern die Interaktion im Quartier. Bei der Art der Angebote sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt; die Angebote können sehr einfach bis sehr aufwändig sein. Generell ist wichtig, dass die Aufenthaltsorte, an denen die Angebote platziert sind, attraktiv gestaltet und für ganz unterschiedliche Bewohner zugänglich und in ihren Alltag integrierbar sind. Denkbare Umsetzungsideen sind:

Grätzelplätze als Orte der Begegnung

Plätze für das "Grätzel" (Wiener Bezeichnung für die nächste Umgebung, vergleichbar mit "Kiez") sind öffentliche Plätze im Quartier, die von allen Anwohnern jeden Alters genutzt werden können. Sie können z. B. mit Basketballkörben, Tischtennisplatten, Sitzplätzen mit Sandmulden und Spielgeräten ausgestattet werden. Sie dienen als Treffpunkt und Orte des Austauschs. Außerdem sind sie autofrei, aber notbefahrbar. Um Raum für den Grätzelplatz zu schaffen, muss gegebenenfalls der ruhende Verkehr neu geordnet werden, indem z. B. Parkplätze verlegt oder anders angeordnet werden.

Aktivpark

Sport verbindet und bringt Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zusammen. Im Aktivpark finden Junge und Alte an Geräten im öffentlichen Raum Gelegenheit zum Spielen, zur Bewegung und zur Entspannung an der frischen Luft. Neben der Nutzung von Outdoor-Geräten kann auch Schach oder Boule gespielt werden. Unbebaute Wiesen laden ein zum Toben, Fußball- oder Badmintonspielen, Üben von Slackline-Tricks etc.

 

 

Streichelhof

Gerade Quartiere in städtischen Ballungsräumen bieten selten Gelegenheiten, um die Natur zu erleben. Die Einrichtung eines Streichelhofs kann dazu ein unkompliziertes und generationsübergreifendes Angebot sein. Außerdem ist der Streichelhof ein Ort, an dem sich insbesondere junge Familien treffen und vernetzen können. Dadurch wird die Gemeinschaft im Quartier gestärkt.

Speakers’ Corner

Als kleines Amphitheater angelegt dient die Speakers’ Corner als Raum für Kleinfestivals und Veranstaltungen, spontane oder geplante Vorträge sowie Meinungsäußerungen. Die offene Bühne wird zum Raum des Austauschs und des Vermittelns.

Schreberpark

Der Schreberpark ist ein Raum der Produktivität, des Erholens und des Austauschs. Er verbindet Elemente privater Kleingärten mit Merkmalen öffentlicher Parks und schafft damit Orte der Begegnung. Private Gärtner gestalten und pflegen im Schreberpark ihre Parzelle; im Gegensatz zu klassischen Kleingartensiedlungen verfügt der Schreberpark jedoch zusätzlich über einen einladenden Eingangsbereich, breite, frei zugängliche und teils erhöhte Wege sowie in regelmäßigen Abständen öffentliche Flächen wie Liegewiesen, Baumgruppen, Grillplätze oder Plätze für Kulturveranstaltungen. Die Anlage ist durchweg offen gestaltet und lädt Gärtner und andere Quartiersbewohner zum Verweilen und Unterhalten ein.

 

Durchwegungen im Schreberpark können verschiedene Stadtteile verbinden. Der Schreberpark wird gemeinsam durch private Träger (die Kleingärtner) sowie die öffentliche Hand finanziert. Ergänzend zum Schreberpark können auch kleine urbane Brachflächen zur Nutzung als Pflanzbeete o. Ä. freigegeben werden.

 

 

Andachtsort

Ein Andachtsort in der Mitte des Quartiers, der allen religiösen und nichtreligiösen Bewohnern und Besuchern offensteht, kann einen wichtigen Beitrag zur Integration liefern. Er dient als Ort der Ruhe und Besinnung sowie des Zusammenseins mit anderen. Der Andachtsort kann im Freien, z. B. in einer Grünanlage, oder in einem Wohngemeinschaftsgebäude untergebracht sein.

 

 

 

Siehe auch: These 55 und These 59 der RAG-Stiftung-Zukunftsstudie

Aufwertung von Innenhöfen durch unterschiedliche themenbezogene Nutzungsschwerpunkte

Innenhöfe eignen sich aufgrund ihrer Lage sehr gut dafür, einem Teil des täglichen Lebens mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Wenn sie über einen spezifischen Themenfokus und Charakter verfügen, ziehen sie unweigerlich Bewohner des Quartiers an, die sich für dieses Thema interessieren. So etablieren sie sich als kleinräumige Treffpunkte für gemeinsame Aktivitäten im Quartier, die für alle Bewohner offen sind. Entscheidend für die gelungene Etablierung von themenbezogenen Innenhöfen ist die Belegung der Erdgeschosse, von denen Impulse für Aktivitäten im Innenhof ausgehen. Beispiele sind:

  • Kulturhof mit Bibliothek und/oder Ideenladen, organisiert z. B. Lesungen
     
  • Werkhof mit Werkstätten und/oder Recycling-Café, organisiert z. B. handwerkliche Projekte
     
  • Freizeithof mit Jugendtreff und/oder Tanzstudio, organisiert z. B. Aufführungen, Freiluftkino-Veranstaltungen, Lasertag-Spiele

Aufwertung und Anbindung von kleinteiligen Freiräumen an ein grünes Netzwerk

Das grüne Netz eines Quartiers übernimmt wichtige soziale und ökologische Funktionen und wird auch laut RAG-Stiftung-Zukunftsstudie künftig eine wichtige Rolle bei der Bewertung von urbanen Räumen spielen. Daher lohnt es sich, kleinteilige Freiräume landschaftlich abwechslungsreich zu gestalten und an ein bestehendes – auch überregionales – grünes Netzwerk anzubinden, in dem die Bewohner sich gerne aufhalten. Dadurch können Bewohner vorher brachliegende oder kaum beachtete Flächen wieder für sich entdecken und diese auch nutzen. Beispielhafte Umsetzungsideen, die darauf einzahlen, sind:

  • Qualifizierung straßenbegleitender Grünflächen durch das Anlegen von Blumenbeeten etc.
     
  • Ausbau von Grünverbindungen, indem fehlende Verbindungen zu bestehenden Grüntrassen neu angelegt werden; dadurch können beispielsweise vorher räumlich abgetrennte Industriehalden nach ihrer Öffnung für die Bevölkerung erschlossen werden und sich so ins Quartier integrieren
     
  • Inszenierung aktiver oder stillgelegter Infrastruktur im öffentlichen Raum, wie z. B. Industriedenkmäler


RAG-Stiftung
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