Die Wohnung ist der persönliche Lebensmittelpunkt im Quartier, der die Bewohner in ihrem Stadtteil verankert und sie sich dort heimisch fühlen lässt. Dafür ist es entscheidend, dass die Wohnungen im Quartier individuellen Bedürfnissen gerecht werden und multifunktional gestaltet sind. Gleichzeitig müssen sie als Orte des Zusammenlebens funktionieren und in ihrem Umfeld Räume der Begegnung bieten, in denen beiläufig Nachbarschaft entsteht. Dafür sollten gemeinschaftlich genutzte Räume in Wohnungen oder im Wohnumfeld vorhanden und gut zugänglich sein. Bei Veränderungen im Wohnungsbestand ist darauf zu achten, dass das sozioökonomische Gefüge nicht zerstört wird. Ziel ist es, Quartiere zu Orten bunter Durchmischung zu entwickeln, mit denen sich die Bewohner identifizieren.

 

 

Die Initiatoren:

Hinweis: Die folgenden Lösungsansätze und Umsetzungsideen sind besonders für Quartiere mit einem zentralen Akteur (Wohnungswirtschaft oder Flächenentwickler) geeignet, der über einen signifikanten Anteil der Wohnungen im Quartier verfügt und Veränderungen aktiv vorantreibt. Für die Umsetzung in Quartieren mit höherem Eigentumsanteil sind enge Absprachen und Kooperationen mit den Eigentümern vor Ort von erfolgskritischer Bedeutung.

Bedarfsgerechte Wohnungen und Gebäude mit zielgruppengerechten Grundrissen und Gemeinschaftsflächen

Um Teilhabe für alle Menschen im Quartier zu ermöglichen, ist es entscheidend, dass Wohnungen so vielfältig sind wie die Bedürfnisse ihrer Bewohner und gleichzeitig Interaktion zwischen ihnen fördern. Dies gelingt, indem bei neu gebauten oder grundlegend sanierten Wohnungen mittels unterschiedlicher Grundrisse verschiedene Zielgruppen angesprochen und prioritär Wohnformen mit Gemeinschaftsflächen umgesetzt werden. Diese sind auch deswegen von besonderer Bedeutung, da sie zusammen mit Barrierefreiheit das Grundgerüst für ein selbstbestimmtes Leben besonders für die wachsende Gruppe der älteren Menschen oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen im Quartier bilden.

Sie sind dabei vielfältig nutzbar, z. B. als gemeinsame Wohnküche oder Wohnzimmer. Um diese Wohnformen auch weniger einkommensstarken Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen, sind kostenoptimierte Bauweisen im Neubau ebenso bedeutsam wie Maßnahmen, die im Bestand umgesetzt werden können. Zudem ist gegebenenfalls eine Finanzierung mit Landesfördermitteln zu prüfen. Folgende Umsetzungsideen zeigen, mit welchen Wohnformen individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden können und Gemeinschaft gefördert werden kann.

Wohngemeinschaften für individuelle Bedürfnisse

Auch verschiedene Formen von Wohngemeinschaften können bei kluger Raumaufteilung und Zielgruppenkonformität sinnvolle Wohnkonzepte, die explizit die Interaktion zwischen den Bewohnern fördern, darstellen. Neben Studenten-, Senioren- oder therapeutischen WGs können auch Wohngemeinschaften von Menschen mit gleichen Interessen gebildet werden (sogenanntes "Themenwohnen"). Hierbei können sich Bewohner zusammentun, die beispielsweise gerne Musik machen, gerne kochen oder sich für Computertechnik interessieren. Sie können sich als Gruppe um entsprechende Gemeinschaftsflächen kümmern, etwa um einen Musikraum, der für Discos oder Tanzabende genutzt wird, gleichzeitig aber auch Probenraum der Musik-WG ist.

 

Wohnhäuser mit Räumen für gemeinschaftliche Funktionen

In ausgewählten Wohngebäuden werden Räume vorgehalten, die offen für verschiedene Nutzungen durch die Bewohner sind, für die in privaten Wohneinheiten kein Platz ist. Da sie in den Wohnblock integriert sind, sind sie aufgrund ihrer Nähe zur eigenen Wohnung für alle Bewohner leicht zugänglich. Sie können zu Treffpunkten für Nachbarn mit ähnlichen Interessen werden und so das Gemeinschaftsgefühl der Bewohner fördern und stärken. Die Räume können beispielsweise genutzt werden als Hobby- und Produktionsräume, Räume für Feiern oder Short-stay-Möglichkeiten für Gäste der Bewohner oder kostenpflichtige Unterbringung externer Besucher.

 

Co-Housing, Clusterwohnungen

Gerade bei älteren Bewohnern können Co-Housing-Konzepte der Isolation und Vereinsamung vorbeugen. Sie können mit einem Pflegewohnhausbereich kombiniert werden, der mit einer lokalen Pflegeinstitution realisiert wird.

Schaffung halböffentlicher und öffentlicher Bereiche im Wohnumfeld zur Sicherung gemeinschaftlicher Funktionen für das Quartier

Um Kommunikation zwischen den Bewohnern im Wohnumfeld zu fördern, braucht es Orte der Begegnung auch in unmittelbarer Nähe zum Haus. Entscheidend dabei ist, dass das Leben der Bewohner füreinander sichtbarer wird. Das Wohnumfeld ist daher so zu gestalten, dass Bewohner und Anwohner dazu animiert werden, möglichst oft die kleinräumigen Schnittstellen zwischen Gebäuden und Freiraum zu nutzen. Dies gelingt durch folgende beispielhafte Umsetzungsideen:

Durchlässiger Wohnhof mit Platz für "Hinterhof-Aktivitäten"

Durch die gezielte Gruppierung von Gebäuden entsteht ein durchlässiger Wohnhof, der gemeinschaftlichen Freiraum für alle Bewohner bietet. Er kann für "Hinterhof-Aktivitäten", wie Fahrrad-Reparaturen, Nachbarschaftsfeste etc., genutzt werden.

 

 

 

 

Mietergärten/Vorgärten mit aufgewerteten Zwischenflächen

Die Gartenarbeit in einsehbaren Gärten hat zum einen den Vorteil, dass das alltägliche Leben öffentlicher wird. Zum anderen bietet sie, wie andere geteilte Hobbys auch, Anknüpfungspunkte für ungezwungene Gespräche zwischen Nachbarn. Es ist dabei zusätzlich empfehlenswert, den Raum zwischen den Gärten durch punktuelle Freiraummöblierungen aufzuwerten, um die Aufenthaltsqualität für die Bewohner insgesamt zu steigern.

Laubengänge, Loggien, gemeinschaftliche Dachgärten, Wintergärten, Balkone oder Terrassen
Auch diese baulichen Gestaltungselemente im unmittelbaren Wohnumfeld zielen darauf ab, Räume für beiläufige Begegnungen zu schaffen und dem Alltagsleben mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Je nach baulichen Gegebenheiten ist zudem eine Kombination dieser Elemente denkbar, z. B. indem eine Loggia in einen Laubengang integriert wird. Die Loggia dient dann als einsehbarer Vorraum der Wohnung; davor liegt der eigentliche Laubengang. Durch eine Geländeanschüttung oder den Anbau von Treppen können auch Terrassen im Hochparterre mit dem gemeinschaftlichen Freiraum verbunden werden und so das Alltagsleben sichtbarer machen.

Hybride, multifunktionale Orte des Wohnens, Arbeitens und der Gemeinschaft

Der Trend zu einer zunehmenden Vermischung von Wohnen, Leben und Arbeiten wird sich laut RAG-Stiftung-Zukunftsstudie in den nächsten Jahren weiter verfestigen. Bei Neubau, Modernisierung oder Neubelegung von Wohngebäuden sollte daher das Wohnen konsequent in Kombination mit anderen Funktionen betrachtet werden. Zentral dafür ist die möglichst offene und lebendige Ausgestaltung der Erdgeschosse in Wohngebäuden. Indem Erdgeschosse nicht mit privaten Wohnungen, sondern mit großzügig verglasten Räumen für Arbeit, Nahversorgung oder Gemeinschaft belegt werden, tragen sie dazu bei, das Leben im Quartier einladend und sichtbar zu machen. Außerdem geben sie den Bewohnern die Möglichkeit, im direkten Umfeld einer Erwerbstätigkeit, ehrenamtlichem Engagement o. Ä. nachzugehen. Erdgeschosse können beispielsweise belegt werden mit:

  • Produktion und Dienstleistung, z. B. Ateliers, Handwerksproduktion
     
  • Orten gemeinschaftlicher Nutzung, z. B. Recycling-Cafés, Jugendtreffs, Veranstaltungsräumen
     
  • Orten der Nahversorgung, z. B. einem kleinern Lebensmittelhändler oder einer "Quartiers-Kantine", die Bewohnern des Stadtteils, aber auch Besuchern offensteht


Siehe auch: These 53 der RAG-Stiftung-Zukunftsstudie

Bei Quartieren mit hohem Anteil an Mietwohnungen: Bestandserhalt/ Modernisierung vor Neubau – damit Anerkennung der Bestandsmieter als wichtige identitätsstiftende Gruppe

Bestandsmieter sind zentrale Akteure bei der Gestaltung und Prägung der Identität in einem Quartier. Bei der Sanierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden ist daher darauf zu achten, dass diese mit Augenmaß durchgeführt werden.

Behutsame Nachverdichtung zur Verbreiterung eines bisher zu homogenen Wohnungsgemenges

Indem durch einzelne Neubauten ein Quartier behutsam nachverdichtet und ein homogenes Wohnungsgemenge ergänzt wird, kann die Zusammensetzung der Bewohnerschaft verbreitert werden.

 



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