Arbeit wird auch zukünftig der Schlüssel für Integration und gesellschaftliche Teilhabe sein – dies bestätigt auch die RAG-Stiftung-Zukunftsstudie. Daher kommt der Förderung der lokalen Ökonomie eine besondere Bedeutung bei der Quartiersentwicklung zu. Ein wichtiger Ansatzpunkt dazu sind unbürokratische und erschwingliche Angebote, die Bewohner bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor Ort unterstützen. Denkbar sind auch besondere Programme, die auf die Unterstützung von Minderheiten und Randgruppen abzielen. Daneben lassen sich Tätigkeiten fördern, bei denen es jenseits von Erwerb und Gewinnabsicht um gemeinsames Experimentieren, Tüfteln und Ausprobieren geht. Die Bereitstellung entsprechender Räume stärkt das Gemeinschaftsgefühl der Bewohner untereinander und sorgt dafür, dass das Quartier ein Ort produktiven Lebens wird. Zu beachten ist jedoch, dass die Ansiedlung lokaler Ökonomie nicht im luftleeren Raum gelingen kann. Quartiersentwickler sollten sich auf "Spurensuche" begeben, um vorhandene wirtschaftliche Potenziale aufzudecken. Auf diesen kann ganz spezifisch aufgebaut und die Wirtschaftskraft vor Ort gestärkt werden.

 

 

Die Initiatoren:

Unbürokratische und kostengünstige Angebote zur Förderung der Erwerbstätigkeit vor Ort im Quartier

Quartiere gewinnen an Lebensqualität und Bindungskraft, wenn ihre Bewohner auch vor Ort arbeiten, Kooperationsprojekte initiieren oder ein Start-up-Unternehmen gründen können. Die lokale Produktion kann dabei zum Motor der Integration werden und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts im Quartier beitragen. Dazu braucht es unbürokratische und kostengünstige Angebote, die Bewohner dazu bewegen, im Quartier selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insbesondere auch niederschwellige gemeinschaftliche Produktionsstandorte, die allen Bewohnern offen sind, können sich zu kleinen ökonomischen Kernen im Quartier entwickeln, die die Identifikation der Bewohner mit ihrem Stadtteil stärken. Folgende Beispiele illustrieren, wie dies erreicht werden kann:

Kostengünstige Modulbauweise für Gewerbe im Quartier

Um Raum für kleingewerbliche Nutzung im Quartier zu schaffen, braucht es kostengünstige und platzsparende Lösungen. Besonders geeignet dafür sind flexible Gebäude in Modulbauweise. Diese sind zwei bis drei Geschosse hoch und mit nur einer Schauseite mit Tür und Fenstern konzipiert. Das heißt, dass problemlos mehrere kleinräumige Module kombiniert werden können – sowohl längsseitig nebeneinander als auch rückseitig hintereinander. Aufgrund dieser minimalen Fassadenfläche sind sie in einer Vielzahl städtebaulicher Typologien einsetzbar, vom Hofhaus bis zur Zeilenbebauung oder auch am Blockrand. Trotz ihrer bescheidenen Größe bringen sie weitere Vorteile konventioneller Gewerberäume mit sich, wie z. B. eine eindeutige Adresse, die direkte Anfahrbarkeit und einen gewerblich nutzbaren Außenraum. Bei Bedarf bieten sie außerdem auch Raum zum Wohnen.

Gewerbehof für produzierendes Kleingewerbe

Nicht mehr genutzte Gebäude (z. B. Schulen), vor allem solche, die sich in Randlage befinden, können sich als Gewerbehöfe neu erfinden und zum Treffpunkt der Bewohner im Quartier werden. Die Gebäude werden dazu ausreichend instand gesetzt und erhalten eine minimale Ausstattung, die Schritt für Schritt weiter ausgebaut werden kann. Der Gewerbehof bietet beispielsweise Platz für produzierendes Kleingewerbe, Handwerk, Ateliers für Künstler, Büroflächen für Start-up-Unternehmen oder Gemeinschaftsbüros. Dies schafft eine Gelegenheit, unternehmerisch interessierte Bewohner mit und ohne Migrationshintergrund anzusprechen.

Auch sozialökonomische Betriebe und Vereine etc. können sich dort ansiedeln. Der Innenhof kann bei guter Witterung gemeinsam genutzt werden, indem beispielsweise die Produktion nach draußen verlagert ("gläserne Manufaktur") oder ein gemeinsamer Mittagstisch organisiert wird. Das Areal ist für die Allgemeinheit offen und kommt ohne Zäune und Barrieren aus. Zur besseren Integration des Gewerbehofs in das Quartier können von den Nutzern des Gewerbehofs auch Veranstaltungen organisiert werden. Der Gewerbehof kann gemeinsam von Kommunen, privatwirtschaftlichen Akteuren, Strukturfonds u. Ä. finanziert und von der jeweiligen IHK unterstützt werden.

Temporäre Marktstände

Lokale Akteure haben die Möglichkeit, an temporären Marktständen ihre selbst produzierte Ware im Quartier zu verkaufen und sich zu vernetzen. Für die Verkäufer hat dies den Vorteil, dass sie ihre Kundschaft direkt vor Ort erreichen. Aber auch das Quartier insgesamt profitiert, da die Marktstände die Attraktivität und Diversität der öffentlichen Plätze erhöhen und dort für eine spontane Lebendigkeit sorgen. Plätze mit Witterungsschutz oder Orte in einer Begegnungszone sind dabei als Standorte für temporäre Marktstände besonders geeignet. Gewerbetreibende vor Ort können diese auch als Sprungbrett nutzen, indem sie dort Geschäftsideen austesten und bei Erfolg ihre Produkte und Dienstleistungen in einem permanenteren Rahmen anbieten.

Förderung ökonomischer Tätigkeiten zur Einbindung von Minderheiten

Angebote, die sich speziell an die Einbindung von Minderheiten im Quartier richten, können eine sinnvolle Ergänzung sein, um die lokale Ökonomie zu fördern und Teilhabe aller im Quartier zu ermöglichen. So kann sich beispielsweise eine "Instandhaltungs-Handwerkergruppe" oder ein Repair-Café aus Bewohnern mit und ohne Migrationshintergrund um Erhalt und Wartung ausgewählter Gebäude im Stadtteil kümmern bzw. Gebrauchsgegenstände wiederherrichten. Solche Initiativen stärken den Zusammenhalt sowie das Verantwortungsgefühl für das Quartier.

 

Siehe auch: These 47 der RAG-Stiftung-Zukunftsstudie

Experimentierräume als Zellen der Innovation und Orte des Austauschs im Quartier

Sich ausprobieren, tüfteln, Ideen entwickeln – Räume und Angebote, die dies ermöglichen, bringen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, aber ähnlichen Interessen zusammen. Dabei geht es vor allem darum, den ungezwungenen Austausch zwischen den Bewohnern und das Gemeinschaftsgefühl im Quartier zu fördern. Im besten Fall werden in diesen Experimentierräumen aber auch innovative, neue Geschäftsideen entwickelt oder Produkte verbessert. Beispielhaft gelingt dies durch folgende Maßnahmen:

Werkstätten-Yard in der Mitte des Quartiers

Im Gegensatz zum Gewerbehof steht beim Werkstätten-Yard der Aspekt des "Ausprobierens" im Vordergrund. Handwerker, Arbeiter und alle Menschen, die experimentieren und kreativ sein wollen, finden im Werkstätten-Yard Arbeitsbereiche, Ateliers oder auch Co-Working-Bereiche vor. Diese bieten Platz zum gemeinsamen Schneidern, Tischlern, Malen, Werken und Denken – und um sich kennenzulernen und voneinander zu lernen. Der Werkstätten-Yard liegt zentral im Quartier, ist leicht zugänglich und für alle Bewohner offen.
 

Aufgestockte Innovationsgaragen

In vielen Quartieren gibt es ältere Garagen aus den 1950er oder 1960er Jahren, die oft zu klein für moderne Autos sind und deswegen höchstens als Abstellfläche genutzt werden. Indem diese Garagen aufgestockt werden, steht den Bewohnern mehr Raum zur Verfügung, der neu genutzt werden kann: z. B. zum unkomplizierten Tüfteln, Basteln, zur Entwicklung von Gründerideen oder sogar als unbürokratische Form des Arbeitens und Wohnens. Voraussetzung dafür ist eine Anpassung des Baurechts, wobei im Gegenzug für erteilte Genehmigungen die Nutzer verpflichtet werden können, die Garagen möglichst nachhaltig zu nutzen. Denkbar ist, dass auf den Dächern der Garagen Solarzellen installiert werden oder an den Garagen Regenwasser gesammelt wird.
 

Innovationsräume von Hochschulen

Im Quartier ansässige Hochschulen sind wichtige Akteure vor Ort, die Impulse für die lokale Ökonomie geben können. Dies kann geschehen, indem sie sogenannte Innovationsräume einrichten, die auch Unternehmen und Gründern im Quartier offenstehen. Ziel dieser Innovationsräume ist es, als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft die Entwicklung und Fertigung von Produkten unter einem Dach zu bündeln. Außerdem fördern sie das "Voneinander-Lernen", den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Der genaue Zuschnitt der Räume soll möglichst flexibel gehandhabt werden, sodass vielfältige Nutzungen möglich sind, z. B. als Labor zum Testen neuer Produkte oder als Produktionshallen.

 

 

Siehe auch: These 22 und These 23 der RAG-Stiftung-Zukunftsstudie



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